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FIPS-Mouche World Fly Fishing Championship 2013

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von Alex

Unter deutschen Fliegenfischern – so zumindest mein subjektiver Eindruck der letzten Jahre – sind Wettkämpfe innerhalb unserer Passion ein Streitthema. Ganz davon abgesehen, dass diese Form der kompetitiven Fischerei in Deutschland offizielle nicht gestattet ist (korrigiert mich bitte, wenn ich hier juristisch falsch liege), können viele schon aus idealistischen (?) Gründen dem Wetteifern und der sportlichen Auseinandersetzung zu Lasten des Fisches – so hier die Argumentation in den meisten Fällen – nichts, aber auch gar nichts abgewinnen. Fliegenfischen sollte vielmehr das individuelle Einfinden in die Natur und vielleicht so etwas wie ein meditatives “zu-sich-selbst-kommen” sein. Dies ist zumindest meine zusammenfassende Interpretation vieler Beiträge in unterschiedlichen Foren oder auf anderen Plattformen.

Ich persönlich sehe hier jedoch gar keinen Widerspruch: An einem Tag kann ich ans Wasser gehen und im Rauschen des Flusses die Seele baumeln lassen, vom Alltag abschalten und mich über das regelmässige Steigen einer kleinen Bachforelle unter einem schützenden Ast erfreuen. Ja, selbst in diesem Zusammenhang könnte ich den Begriff “Sport” für meine Tätigkeit verwenden und ihn etymologisch als “Zerstreuung” (lateinisch: disportare) verstehen.  An einem anderen Tag hingegen ist von Zerstreuung nicht die Rede. Da ziehe ich voller Tatendrang schon vor Sonnenaufgang ans Wasser und versuche bewusst, meine Techniken beim tiefen Nymphen zu verbessern oder in den Abendstunden besonders große und heikle Fische zu überlisten. In meinen Augen ist DAS dann schon eine spezifische Form des Wettkampfes (mit sich selbst) und eine sportliche Auslegung unsers Hobbys in einem zweiten Verständnis des Begriffs. Warum sollte man eine der beiden Verwendungsweisen “verurteilen”?

Für mich sind beide Verständnisse legitim! Und wenn ich Fliegenfischen im zweiten Verständnis ausüben möchte, dann ist der Schritt zur fairen Auseinandersetzung mit anderen nicht mehr weit. Da sehe ich keinen Unterschied zum Schachspielen oder Fußballspielen. Denn auch dies kann ich beides entweder bei einem kühlen Bierchen an einem lauen Sommerabend im Park tun, oder aber im Wettstreit mit anderen – das eine alleine, das andere im Team – und mich hierauf gezielt vorbereiten.

Auf einen solchen Punkt vorbereitet haben sich auch die 125 Fliegenfischer aus 27 unterschiedlichen Nationen, die bei der diesjährigen “Worl Fly Fishing Championship” im Norden Norwegens zusammenkommen und sowohl am Fluss als auch am See in Einzel- und Teamwertungen (jedes Team besteht aus 5 Fischern und einem Kapitän) gegeneinander antreten. Nach den ersten Trainingstagen finden von heute an und noch bis zum 16. August insgesamt fünf unterschiedliche Einzelwettkämpfe statt, die jeweils drei Stunden dauern (3 x Fluss; 2x See). Die Ergebnisse und Statistiken werden dabei live vom Wasser ins Netz “getickert” und man kann am Bildschirm verfolgen, “wer” auf welchem Flussabschnitt oder am See gerade “wie” abschneidet oder “abschneidert”. Neben dieser Form der Berichterstattung gibt es zusätzlich einen Kanal bei YouTube mit Interviews und Zusammenfassungen. Selbst im Fernsehen wird in vielen Ländern – so etwa in Norwegen, Schweden, Irland oder Tschechien – über dieses Event mehr oder weniger ausführlich und täglich berichtet.

Ich denke es ist beinahe überflüssig zu sagen, dass bei bei diesem Wettkampf widerhakenlos gefischt wird und alle Fische releast werden. Lange und unnötige “Foto-Shootings” mit Äschen, Bachforellen oder Saiblingen wird es hier allein schon aus zeitlichen Gründen nicht geben. Ich selber war vor ein paar Jahren als Kontrolleur bei der belgischen Meisterschaft dabei und habe erlebt, wie verantwortungsvoll sich die meisten der Teilnehmer am Fluss bewegen und verhalten. Damals hatte ich das große Glück und durfte den amtierenden Meister der ersten Division Julien Lorquet, damals gerade einmal 18 Jahre und mittlerweile auch Mitglied des Nationalteams, begleiten. Ich überprüfte seine Fliegen und vermaß seine gelandeten Fische in einer bewässerten Vorrichtung. Warum vermessen? Ab einer bestimmten Größe bekommt jeder Wettkampfteilnehmer für jeden Fisch (je nach Spezies) und jeden Zentimeter eine bestimmte Anzahl von Punkten. Diese werden pro Wettkampfeinheit notiert und am Ende addiert. Hieraus ergibt sich letztlich die Gesamtwertung. Ich konnte jedenfalls an diesem Tag viel, sehr viel lernen. Nicht nur was die Wahl von Fliegenmustern, die Anwendung unterschiedlicher Präsentationstechniken und das sorgfältige und systematische Befischen eines Flussabschnittes betraf, sondern auch, dass “Wettkampffischen” nicht heißt, weniger schonend mit dem Fluss und seinen Bewohnern umzugehen, nur weil man “Sport” nicht als “Zerstreuung” interpretiert.

Team Belgien

Für den Wettkampf in Norwegen drücke ich meine Daumen natürlich (!) dem belgischen Team um Kapitän Richard Franck. Für die Einzelwertung insbesondere David Dimarco, den ich als sehr symphatischen und reflektierten Fliegenfischer und ausgezeichneten Fliegenbinder kennengelernt habe. Tight Lines und bonne chance! Die belgische Équipe wird es allerdings schwer haben. Nicht, weil sie im Gegensatz zu vielen anderen Mannschaften nicht professionell gesponsored werden, sondern weil insbesondere die Tschechen, Slowaken und Skandinavier mit diesen Gewässertypen näher vertraut sind. Auch am See wird es vermutlich nicht leicht für die Belgier, denn  die Vorbereitungen in den letzten Tagen hatten noch keine erfolgsversprechenden Taktiken hervorgebracht. Ich bin jedenfalls sehr gespannt! Auf meiner Facebook-Seite werde ich jedenfalls in den nächsten Tagen einige Zwischenstände aus Norwegen posten.

Links:

Nachtrag 1:

Der erste Wettkampftag ist vorbei. Bisher wurden sowohl am Fluss als auch am See nur sehr wenige Fische gefangen. Viele blieben Schneider, selbst auf den Sektoren I-III. Das belgische Team liegt mit 9940 Punkten im Mittelfeld. Allerdings können die Karten mit ein paar gelandeten Salmoniden schnell neu gemischt werden, denn hinter den Top5 liegen einige Mannschaften eng beisammen.
Einen Rückblick auf die ersten gefischten Sektoren und eine kurze Einführung in die Regeln und die befischten Gewässer gibt es jetzt auf YouTube:

Nachtrag 2:

Nicht vorenthalten möchte ich, dass im Netz auch kritische Töne zur WM in Norwegen laut werden. Nicht was den Wettkampf an sich betrifft, sondern vielmehr die Kooperation mit “Nova Sea”, dem größten Produzenten von Wildlachs im Norden Norwegens, wird scharf angegangen. Nähere Informationen und die Argumente der Kritiker findet Ihr hier. Ich kann die Einwände gegen eine solche Zusammenarbeit absolut nachvollziehen. Hier hat viellicht, wie leider so oft bei den Themen “Imagebildung” und “Marketing”, jemand nicht genau aufgepasst oder sorgfältig recherchiert. Vielleicht, auch das natürlich nur eine Mutmaßung, hört ab einer gewissen Summe das Denken bei einigen sofort auf. Es wäre immerhin nicht das erste Mal, dass im Zusammenhang mit Sportereignissen ein fragwürdiger Sponsor seine Marke bzw. sein Unternehmen platziert. Von einem Boykott der Veranstaltung halte ich dennoch nichts. Da gibt es sicherlich andere, konstruktive Wege der Unmutsäußerung – so zumindest mein Empfinden im Moment.

Nachtrag 3:

Nach 4 von insgesamt 5 Sessions liegt der oben erwähnte Julien Lorquet (zumindest nach den bisher vorliegenden Ergebnissen) in der Einzelwertung auf dem dritten Rang. Gratulation! Zwar hat er insgesamt gesehen nicht annähernd die meisten Fische landen können, aber er hat bisher auf allen Sektoren nicht ohne Bachforelle oder Äsche das Wasser verlassen. Dies ist bei einem solchen Wettkampf von besonderer Bedeutung, denn jeder “Capots” – wie die Belgier sagen – bringt Strafpunkte und macht eine Platzierung im oberen Teilnehmerfeld unmöglich. Es kommt nicht auf die absolute Anzahl gefangener Fische an, sondern relativ gesehen, auf die meisten im direkten Vergleich zu den 24 anderen Fischern in der gleichen Session auf dem gleichen Sektor. Hieraus ergeben sich Punkte bzw. Platzierungen für einen Sektor und am Ende werden die Punkte aller 5 Sektoren addiert. Auf Rang 1 liegt bisher ein Italiener, allerdings muss er noch Sektor III befischen, wo bisher die wenigsten Fische gefangen und sehr viele Teilnehmer geblankt haben. Julien muss heute Nachmittag noch auf dem kleinen See ran. Auch hier war die Fischerei bisher nicht leicht. Ich bin gespannt!



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